Die äußere Form
In den Budokünsten nehmen äußere Form und Etikette einen wichtigen Platz ein. Tatsächlich sind sie der Schlüssel zum Verständnis des Budo. Wer sie mißachtet, verwechselt Budokunst mit Sport und versperrt sich den Zugang zum Karate-Do. Der Schüler erkennt nicht, daß die äußere Form das Training bestimmt. Wer sich nicht in der Gewalt hat, keine Disziplin zeigt, sich gehen läßt und keinen Wert auf sein Auftreten legt, ist selten bereit, hart zu üben.
Der Schüler ist zu schwächlich, um Energie zu entwickeln, selbstbewußt zu sein, seine Leistungen zu steigern. Er empfindet keinen Respekt vor seinen Ausbildern, mißachtet die Regeln der Höflichkeit, ist gleichgültig, wenn starke innere Anteilnahme nötig wäre. Breitet sich diese Einstellung im Dojo aus, so zeigt sich nach kurze Zeit ein Haufen trainingsfauler Schwächlinge, die über das Stadium eines Anfängers nie hinauskommen werden. Man erkennt sie auf den ersten Blick. Sie nehmen sich Zeit; sei es bei der Aufstellung zum Gruß oder zur Grundschule. Das Grüßen ist gedankenlos, gleichgültig. Nachlässig und ohne besonderes Interesse folgen sie den Erklärungen. Man spürt den völligen Mangel an Lernbereitschaft und Konzentration. Die Gruppe ist unruhig, die Jüngeren zappeln herum, reden heimlich mit dem Nachbarn, stoßen sich gegenseitig, schauen nach der Uhr, gähnen ungeniert. Statt zum Ausbilder schauen sie zur Nachbargruppe. Dieser Mangel, Karate ernst zu nehmen, überträgt sich auf den gesamten Übungsablauf. Es fehlt der Wille selbstbewußt und stolz zu sein, etwas leisten zu wollen, seine Schwächen zu unterdrücken. Die Schüler beteiligen sich ohne innere Anteilnahme. Der Ausbilder fragt sich schließlich, ob sich sein Einsatz überhaupt lohnt.
Wäre der Ausbilder ein harter Typ, sähe es womöglich anders aus. So ist der Karate-Unterricht im fernen Osten alles andere als ein demokratisch freundschaftliches Bemühen um seine Schüler. Schon bei Kleinigkeiten greifen die Ausbilder mit voller Härte durch. Das Training ist so hart, daß manche nicht durchhalten und nach kurzer Zeit aufhören. Zurück bleibt Elite - ganz harte, disziplinierte Karatekas, voller Respekt für ihren Sensei und striktem Beachten der Dojo-Regeln.
Jeder, der einmal in Japan trainiert hat, wird dies bestätigen. Die durchgestandenen Härten bleiben unvergessen: der ewige Muskelkater, die zahlreichen blauen Flecken, die Prellungen, Verstauchungen, die aufgeplatzten Lippen, die vom harten Kontakt geschwollenen Unterarme. Dort wird kein Gentleman-Karate praktiziert sondern härteste Kampfkunst.!